Agiles Mindset: Das richtige Mindset ist entscheidend – Experteninterview
von Gabriele Kaier, 06.02.2018
"Ich bin wie ich bin.” oder ”Ich kann mich jederzeit grundlegend verändern.” - Wie sehen Sie das? Glauben Sie an Entwicklung? Mindset ist die Einstellung des Denkens. Eine statische Sicht auf sich selbst ist weit verbreitet und lässt uns auf der Suche nach uns selbst und bei Veränderung verharren. Was hat das richtige Mindset von Führungskräften, mit der Digitalisierung und agilen Unternehmen zu tun? Das haben wir Svenja Hofert, Managementcoach und Autorin des Buches „Das agile Mindset“ gefragt.
In der alten Arbeitswelt sollte man sich anpassen, Prozesse optimieren und Fehler vermeiden. Der Einzelkult verlangte maximale Selbstdarstellung und Ellenbogen. In der digitalen, agilen Welt dagegen ist Experimentierfreude gefragt, Mut und Fehlertoleranz. Kooperation soll Ego-Denken ablösen. Doch wenn Unternehmen das Neue mit dem alten Denken vorantreiben, können sie nur scheitern. Wir haben Svenja Hofert Managementcoach und Autorin des Buches „Das agile Mindset“ gefragt, warum das so ist – und was Unternehmen dagegen tun können.
Wie das Mindset der Führung über das Überleben in der Digitalisierung entscheidet – Interview mit Svenja Hofert
Was versteht man unter einem agilen Mindset?
Schauen wir uns erst einmal die eigentliche Bedeutung an: Mindset ist die Einstellung des Denkens. Ein agiles Mindset ist ein Mindset, das die Veränderungen durch die Digitalisierung wirklich verstehen und in eine angemessene Handlung übersetzen kann. Wir gehen immer davon aus, dass alle Menschen das Gleiche denken können. Doch das ist nicht so. So wie es unterschiedliche Intelligenzen gibt, existieren auch verschiedene Mindsets. Die agilen sind beweglich, agieren im Moment, beziehen den Kontext ein und aktualisieren sich ständig selbst.
Warum fordert die Digitalisierung eine Transformation des Denkens?
Im Mittelalter konnte man noch das ganze Wissen der Welt aufnehmen. Man studierte die sieben freien Künste Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie, bevor man an den höheren Fakultäten zu Jura, Medizin oder Theologie aufstocken konnte. Kam man soweit, hatte man das komplette Wissen der Zeit abgedeckt. In der Industrialisierung war Wissen schon sehr viel vielschichtiger, aber immer noch beherrschbar, vor allem durch Planung. In der Digitalisierung hört auch das auf. Wissen im Sinne von „Inhalt“ ist keine Domäne des gebildeten Menschen mehr. Das ist schon ziemlich radikal in seiner Konsequenz – selbst Experten wissen nicht mehr alles! Die neue Kunst liegt auf anderen Ebenen, die mit der Verarbeitung und intuitiven Nutzung von Wissen zu tun haben.
Kann man das Denken und Handeln bei Menschen von heute auf morgen verändern?
Nein. Das alles wirft ja ganze Lebenskonzepte um. Wer wirklich umdenkt, müsste erkennen, dass er Jahre- und Jahrzehntelang Grundannahmen – etwa „man muss Expertenwissen aufbauen“ – gefolgt ist, die heute nicht mehr gelten. Das kann erschütternd sein. Wir haben ja an etwas geglaubt. Wir haben ja gedacht, dass etwas „richtig“ ist. Natürlich wussten Konstruktivisten wie Heinz von Förster schon früh, „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“, aber erst jetzt wird konstruktivistisches Denken weitere Kreise ziehen. Neurobiologisch sind das Veränderungen, die nur in kleinen Schritten vorangehen. Es könnte auch Generationen dauern.
Wie kann Führung neues Denken leiten?
Führung muss selbst neu denken können und wollen. Deshalb ist es problematisch, wenn Führungskräfte, die gestern noch das alte Denken vertreten haben, heute den Kulturwandel vorantreiben sollen. Es gibt tolle Führungskräfte, die immer schon intensiv reflektiert und in Frage gestellt haben. Aber ganz viele sind das überhaupt nicht gewohnt. Führung kann neues Denken nur dann leiten, wenn sie anfängt, nicht mehr nach richtig und falsch zu suchen, sondern nach Prinzipien handelt.
Was muss sich an den Führungsprinzipien ändern?
Gibt es wirklich so viele Führungsprinzipien? Ich sehe mehr Regeln oder die Suche nach Führungsstilen. Ich sehe selten, dass jemand echte Prinzipien hat und diesen folgt.
Prinzipien sind für mich anders als Regeln abgeleitet von ehrlichen und tief verankerten Werten. Sie bilden das Rückgrat der Haltung und sind immer verallgemeinerbar sowie ethisch verankert. Sie appellieren an Eigenverantwortung. „Wir handeln wirtschaftlich“ ist ebenso ein Prinzip wie „Wir handeln gesellschaftlich verantwortungsvoll.“ Um Prinzipien wirklich zu leben brauchen Führungskräfte eine große persönliche Reife.
Welches Mindset benötigen Führungskräfte in der Transformation?
Das beschriebene, dynamische oder agile Mindset, verbunden mit der Bereitschaft zu Reflexion und Haltung. Haltung ist eben durch die Fähigkeit zur Prinzipienbildung definiert. Haltung braucht auch die Reflexion von Grundannahmen. Was halte ich für sinnvoll? Was ist für mich ein gutes Leben? Warum führe ich Menschen? Was leitet mich als Unternehmer – auch und gerade durch den digitalen Wandel?
Wie können sich Führungskräfte einem agilen Führungsstil in Schritten nähern?
Führungsstil gefällt mir nicht, die Suche danach entspringt dem Denken der alten Welt. Es gibt vielleicht so etwas wie einen persönlichen Stil, aber einen agilen sicher nicht. Auch hier geht es um Haltung. Agile Führung heißt, ich ermögliche und fördere Selbstorganisation. Ich helfe und unterstütze andere – das ist ein Verständnis von Führung als Dienstleistung. Viele halten sich an Methoden und Best Practice fest wie an Rettungsankern, dabei würde ihnen Loslassen so vieles leichter machen.
Sie sprechen von 5 typischen Ich-Entwicklungsphasen und welcher Denk- und Handlungslogik Menschen in diesen Phasen folgen. Was bedeutet das für Führungskräfte?
Es bedeutet, dass Menschen ihr Denken verändern und verändern können. Wir reisen zu unserem Ich und dabei kommen wir immer mehr zu den Wurzeln zurück, beispielsweise zu Stärken aus der Kindheit. Wir integrieren als negativ erlebte Anteile und werden zufriedener. Wir lernen Grenzen setzen und bei uns zu bleiben. Das ist Ich-Entwicklung. Wir brauchen diese sehr, wenn wir Selbstverantwortung wollen. Und es hilft zu wissen, auf welche Art und Weise Ich-Entwicklung fortschreitet und was sie unterstützt oder hemmt.
Wie kann man agile Kompetenzen bei Mitarbeitern in der Praxis erreichen?
Ich mag den Begriff Kompetenzen so wenig wie „Stil“. Kompetenzen suggerieren, dass sich etwas trainieren ließe. Ja, man kann etwas üben. Aber die Art und Weise Dinge aufzunehmen, die lässt sich nicht antrainieren, sondern nur erfahren. Es geht um reflektieren, nachdenken, in Frage stellen. „Frau Hofert, was muss ich genau machen“, werde ich oft gefragt. Doch es gibt oft keine Antwort, sondern nur einen ersten Versuch. „Inspect & Adapt“ ist ein agiles Prinzip, das auch hier sehr hilfreich ist. Machen, schauen, adaptieren. Das haben wir verlernt!
Wie kann man die Art zu denken und zu handeln in Unternehmen verändern?
Indem man die Grundannahmen in Frage stellt, die auch Unternehmen haben. Man kann Grundannahmen als Unbewusstes sehen, dem Unternehmen folgen. Reflektieren Sie darüber, verwandelt es sich in Bewusstsein und das ist eine Chance. Aber auch ein längerer Weg. Viele haben aber damit angefangen und ich bin sehr zuversichtlich. Veränderungen brauchen eine kritische Masse und dann bewegt sich etwas. Nur Geduld.
Vielen Dank für das Interview zum agilen Mindset in der Unternehmensführung!
Die meisten Menschen haben eine statische Denk- und Handlungslogik, ein “fixed mindset”. Sie glauben nicht an die eigene Veränderbarkeit und sie denken, dass auch andere sich nicht verändern können. Stanford-Professorin Carol Dweck forscht seit Jahrzehnten zum Mindset und hat herausgefunden, dass Menschen mit einer wachstumsorientierten Denk- und Handlungslogik, einem “growth mindset”, auf Aufgaben und Herausforderung ganz anders herangehen. Sie sind neugierig, wollen lernen, sich entwickeln, lieben Feedback und sehen Fehler als Chance. Sie erwarten nicht, dass Stärken einfach schon da sind, sie arbeiten selbst daran, sich diese zu erschließen.
Menschen in agilen Unternehmen arbeiten ständig an sich selbst um die eigenen Begrenzungen des Denkens aufzulösen.
Zur Person
Svenja Hofert ist Management- und Karriereberaterin und Autorin des Buches „Das agile Mindset“ sowie von mehr als 30 Sach- und Fachbüchern. Seit 2015 leitet Sie gemeinsam mit Thorsten Visbal die Teamworks GTQ Gesellschaft für Teamentwicklung und Qualifizierung GmbH. Mit Ihrem Karriere-Blog gehört Svenja Hofert zu den wichtigsten Influencern für Karriere-Themen.
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Foto Svenja Hofert: Faceland/Carlos Bank