Jetzt ist es fix: Arbeitszeit in Deutschland muss elektronisch erfasst werden
von Anna Eisner-Kollmann, 20.04.2023
Die Zeit der Unsicherheit ist vorbei! Das Bundesministerium für Arbeit und Sozials (BMAS) hat nun den lang erwarteten Entwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt. Dabei geht es um dessen umfassende Neuregelung. Wir haben für Sie die wichtigsten Fakten des Entwurfs zusammengefasst.
Das plant Arbeitsminister Hubertus Heil im Gesetzesentwurf
Das Arbeitsministerium reagiert mit den Gesetzesplänen auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Mit dem Urteil des BAG im September 2022 waren Arbeitgebende bereits zur vollständigen Arbeitszeiterfassung verpflichtet. Im jetzigen Entwurf werden das Wie und die Ausnahmen politisch geregelt.
Inhalt
- Die geplanten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes 2023
- Spielraum für Kleinbetriebe und Tarifparteien
- Das BAG-Urteil 2022
- Pflicht zur Zeiterfassung kam nicht überraschend
- Was muss erfasst werden?
- Wer muss keine Arbeitszeiterfassung machen?
- Arbeitszeiterfassung als Ende der Vertrauensarbeitszeit?
- Weitere Irrtümer rund um das BAG-Urteil
- Was Sie noch beachten müssen
Die geplanten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes Stand 2023
- Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmenden soll am jeweiligen Arbeitstag elektronisch aufgezeichnet werden und mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden.
- Die Beschäftigten selbst oder auch „ein Dritter” können die Arbeitszeit dokumentieren. Aber letztlich sei der Arbeitgebende für die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit verantwortlich.
- Die Beschäftigten sollen das Recht erhalten, dass der Arbeitgebende sie über die aufgezeichneten Stunden informiert und ihnen Kopien der Angaben aushändigt.
- Die Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein, aber auch hier müsse der Arbeitgebende sicherstellen, dass Beschäftigte die gesetzliche Höchstdauer als auch die Ruhezeiten einhalten und die Arbeitszeiten selbst dokumentieren.
Spielraum für Kleinbetriebe und Tarifparteien
Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften können laut Entwurf Ausnahmen oder Klauseln vereinbaren, die eine Regelung auf Unternehmensebene durch Management und Betriebsrat eröffnen.
- Zeiterfassung in nicht-elektronischer Form
- Dokumentation nicht am selben Tag, spätestens aber eine Woche nach der geleisteten Arbeit
- Gänzlicher Verzicht auf die Erfassung
Ausnahmen sind für Arbeitnehmende geplant, bei denen die Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von Arbeitnehmenden selbst festgelegt werden kann, beispielsweise Forschende. Und Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden können auf die elektronische Aufzeichnung verzichten.
Das BAG-Urteil 2022
Mit dem Urteil des BAG besteht in Deutschland seit Mitte September eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit. Als Arbeitszeit bezeichnet man den Zeitraum, in welchem Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Arbeitsleistungen erbringen bzw. die Leistungsfähigkeit dem Arbeitgebenden zur Verfügung stellen.
Am 13.09.2022 veröffentlichte das Bundesarbeitsgericht eine Pressemitteilung. Dort heißt es bereits im ersten Satz: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“ Nun ist dieser Beschluss Gegenstand hitziger Diskussionen.
Wie kam es überhaupt dazu? Auslöser war ein Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Streitpunkt: Hat die Vertretung der Arbeitnehmenden ein Initiativrecht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung? Laut Bundesarbeitsgericht besteht dieses Mitbestimmungsrecht nicht, weil Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber generell verpflichtet sind, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Initiativrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG mehr. Welche Rolle der Betriebsrat bei der Einführung einer Zeiterfassung spielt, können Sie hier nachlesen.
Pflicht zur Zeiterfassung kam nicht überraschend
Dieses Urteil kam allerdings nicht überraschend. Bereits im Mai 2019 schrieb der Europäischen Gerichtshof (EuGH) allen EU-Mitgliedsstaaten vor, Regelungen zur Arbeitszeitdokumentation zu schaffen. Ausschlaggebend für das sogenannte „Stechuhr-Urteil“ war die Forderung einer spanischen Gewerkschaft nach einem System zur Arbeitszeiterfassung. Täglich geleistete Arbeitszeit könnte so überprüfbarer gemacht werden. Der EuGH entschied sich dafür, europäische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Zukunft ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem vorzuschreiben, mit dem die tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann. Der Gestaltungsspielraum blieb jedoch offen. Das deutsche Bundesministerium hatte also seit 2019 Zeit, klare Regelungen zu formulieren. Die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Gesetzgeber allerdings zuvor kommen.
Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz mussten bisher lediglich Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit. Die knappe Pressemitteilung des BAG bot Grund zu Missverständnissen. Es fehlte an klaren Angaben und Handlungsempfehlungen.
Offene Fragen lauteten beispielsweise:
- Welche gesetzliche Normen müssen bei der Zeiterfassung beachtet werden?
- Wie und wann müssen die Arbeitszeiten erfasst werden?
- Welche Unternehmen müssen die Arbeitszeit zukünftig erfassen?
Eine Begründung der BAG-Entscheidung wurde bereits für 2022 angekündigt. Mit dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf geht es in die Konkretisierung des Vorhabens. Stand April 2023 ist der Gesetzesentwurf in einem frühen Stadium, als nächstes folgt die Ressortabstimmung.
Was muss in Zukunft erfasst werden?
Die viele offenen Fragen bieten natürlich Grund zur Spekulation. Die rechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers sind zwar noch unklar, laut EuGH-Entscheidung von 2019 muss die Arbeitszeiterfassung objektiv, verlässlich und zugänglich sein. Einige Punkte, die elektronisch erfasst werden müssen, stehen jedoch bereits fest:
- Beginn und Ende der Arbeitszeiten (Dauer der Arbeitszeit)
- Überstunden und
- Pausenzeiten.
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Wer muss keine Arbeitszeiterfassung machen?
Generell sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Zeiterfassungspflicht betroffen und müssen diese auch selbstständig führen. Personen in Minijobs waren bisher auch schon verpflichtet Arbeitszeiten aufzuzeichnen. Ausgenommen von der Pflicht sind jedoch leitende Angestellte.
Achtung: Nicht jede Führungskraft ist automatisch eine leitende Angestellte oder ein leitender Angestellter. Bitte prüfen Sie dies deshalb genau!
Arbeitszeiterfassung als Ende der Vertrauensarbeitszeit?
Frei nach dem Motto „Nichts ist sicher, alles ist möglich“ kursieren inzwischen Irrtümer rund um die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Internet. Eines davon ist jenes, um das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Wie der Name sagt, basiert das Modell der Vertrauensarbeitszeit auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Es steht nicht die Arbeitszeit im Vordergrund, sondern das Arbeitsergebnis. Ziel ist es also, die Eigenverantwortung und die Produktivität zu fördern. Am Grundsatz der Vertrauensarbeitszeit ändert das BAG-Urteil nichts. Die Arbeitszeit kann, unter Berücksichtigung von Ruhepausen, Ruhezeiten und täglicher Höchstarbeitszeiten, weiterhin frei gestaltet werden, sollten beide Parteien dies so vereinbaren. Die gesetzlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen und das Arbeitszeitgesetz hatten schon vorher ihre Gültigkeit, neu wird lediglich nur die gesetzliche Dokumentationspflicht.
Weitere Irrtümer rund um das BAG-Urteil
„Es dürfen keine Überstunden mehr geleistet werden!“
Natürlich entspricht diese Aussage nicht der Wahrheit. Das neue Arbeitsgesetz schafft lediglich einen neutralen Raum, in dem sich Arbeitnehmende und Arbeitgebende fair begegnen können. Das bedeutet, dass auch Überstunden korrekt dokumentiert und abgegolten werden müssen. Mache Zeiterfassungssysteme bieten zuverlässige Schnittstellen zu den gängigen Lohnabrechnungsprogrammen. So können Überstunden und Zuschläge unkompliziert berechnet werden.
„Die Bürokratisierung ist typisch deutsch.“
Das stimmt so nicht, denn wie die EuGH-Entscheidung zeigt, gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bereits in der gesamten Europäischen Union. Lediglich die Gesetzgeber der einzelnen Länder hinken mit der Umsetzung hinterher. Beispielsweise werden in Österreich und der Schweiz Arbeitszeiten bereits erfasst.
„Ein Zurück zur Stechuhr ist unausweichlich.“
Wenn Sie einen Rückschritt befürchten, dann können Sie beruhigt sein. Mit den Änderungen rund um Arbeitszeit- und Arbeitsort in den letzten Jahren, ist eine Anpassung der Arbeitszeitaufzeichnung ein Schritt in die richtige Richtung: Prozesse laufen dynamischer ab und auch die Arbeitszeiterfassung sollte an diese Dynamik angepasst werden. Ein gutes Beispiel hierfür sind Projektarbeiten, bei denen einzelne Arbeitsschritte von verschiedenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohnehin dokumentiert werden müssen, um einen guten Arbeitsablauf zu gewährleisten. Dies kann mit einer geeigneten Projektzeiterfassung bestens gewährleistet werden. Sie behalten damit den Überblick wer an welchem Projekt wie lange arbeitet. Sie sehen: Vorteile der Arbeitszeiterfassung, finden sich nicht nur für Ihre Beschäftigten, sondern auch für Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber.
Was Sie noch beachten müssen
Da der Entwurf zur elektronischen Erfassungspflicht nun vorliegt, ist ein Inkrafttreten des Gesetzes absehbar. Sie sollten nun für Ihr Unternehmen die richtigen Handlungsschritte setzen und ein elektronisches, unkompliziertes und nutzerfreundliches System zur Arbeitszeiterfassung in Ihrem Unternehmen einführen. Aber Achtung: Nicht jedes Unternehmen hat dieselben Ansprüche an ein System. Zudem ist nicht jede Zeiterfassung auch für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geeignet. Wenn Sie sich nun fragen: „Wie finde ich die richtige Arbeitszeiterfassung für mein Unternehmen?“, lesen Sie einfach in unserem Blogartikel nach. Behalten Sie dabei unbedingt auch Punkte, wie die DSGVO im Hinterkopf! Selbst wenn Sie bereits ein System in Ihrem Unternehmen verwenden, ist es ratsam zu checken, ob dieses den Vorgaben entspricht und optimale Funktionalität bietet.
Tipp: Die Umstellung von einem analogen auf ein digitales System ist bald nicht nur verpflichtend, sondern spart auch Kosten und Zeit, da die Fehlerquote erheblich minimiert wird.
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