Wie die Digitalisierung das Personalwesen verändert
von Gabriele Kaier, 05.08.2024
Trotz der Beschleunigung des Digitalisierungsprozesses in den Personalabteilungen durch die Coronapandemie bleibt der digitale Wandel eine große Herausforderung für HR-Verantwortliche. In einem Gespräch mit Ivana Baumann, Head of HR & Recruiting bei HRworks, einem führenden Anbieter für HR-Software in Deutschland, wurde über den aktuellen Stand der Digitalisierung im Bereich Human Resources, die bestehenden Hürden und Chancen sowie zukünftige Entwicklungen gesprochen.
Auch 35 Jahre nach dem Start des World Wide Webs stellt die Digitalisierung eine Herausforderung dar. Wie ist der Stand im Bereich Human Resources ?
Ich beobachte ganz deutlich, dass sich im HR-Bereich ein beachtlicher Fortschritt zeigt. Unternehmen setzen verstärkt auf automatisierte Prozesse zur Verwaltung von Mitarbeiterdaten und stellen sich gerade in den Bereichen Recruiting und Zeiterfassung digital auf. Auch E-Learning-Plattformen und digitale Schulungsprogramme sind mittlerweile weit verbreitet und ermöglichen kontinuierliche Weiterbildung.
Trotz dieser positiven Entwicklungen stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, ihre bestehenden Systeme, Strukturen und Prozesse aufzugeben und auf neue Technologien umzustellen. Nur so können sie die volle Bandbreite der digitalen Möglichkeiten im HR-Bereich ausschöpfen. Meiner Meinung nach ist diese Umstellung unverzichtbar, um die Effizienz zu steigern, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Warum wird HR in vielen Firmen zuletzt oder gar nicht digitalisiert?
Die Implementierung digitaler HR-Lösungen erfordert Investitionen in Software, Schulungen und Infrastruktur. Ich denke, dass einige Personalverantwortliche dadurch hohe Kosten befürchten. Dabei variieren diese je nach Software-Anbieter und müssen daher nicht zwangsläufig hoch sein. Zudem wird in einigen Unternehmen HR nicht als strategischer Bereich betrachtet, der erheblich von der Digitalisierung profitieren könnte. Viele Firmen halten an traditionellen Arbeitsweisen fest und scheuen den Aufwand, ihre Prozesse grundlegend zu ändern. Darüber hinaus gibt es Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit, weshalb manche Entscheidungsträger zögern, ihre HR-Prozesse zu digitalisieren. Oft hilft klare Kommunikation, um die Vorteile und Potenziale digitaler HR-Lösungen besser zu vermitteln. In jedem Fall halte ich die Investition für lohnenswert.
Wie wirkt sich die fehlende Digitalisierung von HR auf den Unternehmenserfolg aus?
Ohne digitale Tools und automatisierte Prozesse ist die Verwaltung von HR-Aufgaben zeitaufwändig und fehleranfällig. HR-Verantwortliche haben weniger Zeit, sich um die Mitarbeiterzufriedenheit zu kümmern und strategische Themen anzugehen. In einem digitalen Zeitalter, in dem Talente nach digitalen und flexiblen Arbeitsumgebungen suchen, fällt es einer nicht-digitalisierten HR-Abteilung schwer, qualifizierte Kandidaten anzuziehen und zu halten.
Ohne digitale Bewerbermanagement-Lösungen zum Beispiel verlieren HR-Manager schnell den Überblick über den Stand der einzelnen Bewerbungen. Das führt dazu, dass sie ihren Kanididatinnen/Kandidaten verspätet antworten, oder im schlimmsten Fall ganz vergessen, eine Rückmeldung zu geben. Für Bewerber/innen ist das nicht so attraktiv. Zudem fehlen Unternehmen ohne digitale HR-Analysetools oft wichtige Daten und Einblicke, die für strategische Entscheidungen über Personalentwicklung, Mitarbeiterzufriedenheit und organisatorische Effizienz notwendig sind.
Welche Aufgaben von HR sollten vorrangig digitalisiert werden?
Ich halte die Nutzung von Bewerbermanagementsystemen und digitalen Plattformen für die Bewerbersuche und -verwaltung für essenziell. Diese Tools beschleunigen nicht nur den Recruiting-Prozess erheblich, sondern verbessern auch die Qualität der Einstellungen, da sie eine gezielte und effiziente Kandidatenauswahl ermöglichen. Ebenso wichtig ist die sorgfältige und effiziente Verwaltung der Mitarbeiterstammdaten, damit diese stets aktuell und korrekt bleiben. Für reibungsloses HR-Management und erhöhte Transparenz ist ein effektives Dokumentenmanagement und digitale Personalakten unerlässlich. Sie erleichtern den Zugriff auf wichtige Dokumente wie Arbeitsverträge und Zertifikate.
Die vorbereitende Lohnbuchhaltung ist ein weiterer wichtiger Bereich. Die Erfassung von Arbeitszeiten, die Verwaltung von Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie die Berechnung von Gehältern und Sozialabgaben sind entscheidend für die korrekte und rechtzeitige Abwicklung der Lohn- und Gehaltsabrechnungen.
Deutschland wartet auf ein Gesetz zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung: Welche Chancen ergeben sich dadurch für die Digitalisierung für HR?
Ich bin fest davon überzeugt, dass digitale Arbeitszeiterfassungssysteme eine enorme Bereicherung für jedes Unternehmen darstellen. Sie automatisieren die Erfassung und Auswertung von Arbeitszeiten, was HR-Abteilungen deutlich von manuellen Verwaltungsaufgaben entlastet. Durch die Analyse von Arbeitszeitdaten können Unternehmen viel präziser planen, welche Ressourcen zu welchen Zeiten benötigt werden. Das führt zu einer optimierten Personalplanung und effizienteren Ressourcennutzung.
In unserer zunehmend flexiblen Arbeitswelt ist es besonders wichtig, dass solche Systeme die Arbeitszeiten der Mitarbeitende flexibel erfassen können, egal ob sie im Büro, im Homeoffice oder an verschiedenen Standorten arbeiten. Ein weiterer großer Vorteil ist die nahtlose Integration digitaler Arbeitszeiterfassungssysteme in andere HR-Systeme, wie z.B. Payroll-Systeme oder Mitarbeitermanagement-Tools. Dies verbessert die Effizienz und Konsistenz der HR-Prozesse erheblich.
Alle reden von KI: Wie entscheidend ist es, sich jetzt in HR auf KI-gestützte Lösungen zu konzentrieren und diese einzuführen?
In Teilbereichen wie im Recruiting gibt es gute KI-Lösungen, die die Arbeit von HR-Verantwortlichen effizienter, schneller und präziser machen. Ein gutes Beispiel für den Einsatz von KI in HR ist ChatGPT. Diese KI-Lösung kann Stellenanzeigen erstellen und dabei mehrsprachige, idiomatisch korrekte Texte liefern. Auch wenn KI-Lösungen unbestreitbar viele Vorteile bieten, ist es wichtig, dass Firmen dabei nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Denn: Bei der Digitalisierung der Personalarbeit gibt es noch großen Nachholbedarf. Rund 70% der kleinen und mittleren Unternehmen haben ihre HR noch nicht digitalisiert. Hier gibt es also eindeutig viel Luft nach oben. Bevor diese Unternehmen damit beginnen, KI-Lösungen für spezifische Teilaufgaben von Personalarbeit einzuführen, ist es für sie wesentlich wichtiger, zuerst ihre HR-Kernprozesse wie die Mitarbeiterverwaltung und Zeiterfassung zu digitalisieren.
Wie digital ist HR in fünf Jahren? Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Die Digitalisierung der Personalarbeit steckt bei vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Zwar ändert sich dies allmählich, doch es ist dringend notwendig: HR muss sich vom reinen Verwalten hin zum aktiven Gestalten bewegen. Der Fokus sollte stärker auf Personalbindung, Personalentwicklung und Recruiting liegen, anstatt auf administrativen Tätigkeiten. Daher werden Unternehmen bei ihrer Personalarbeit zunehmend auf digitale Tools setzen.
Insofern gehe ich davon aus, dass künstliche Intelligenz immer mehr in HR-Prozesse integriert wird. Die Digitalisierung wird die Implementierung agiler Arbeitsmodelle und die Unterstützung von Remote-Arbeit weiter vorantreiben. Durch die Nutzung fortschrittlicher Recruiting-Technologien und digitaler Plattformen wird es einfacher, hochqualifizierte Talente zu identifizieren und zu binden. Unternehmen werden verstärkt Employer Branding und digitale Kanäle nutzen, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Daher gehe ich davon aus, dass künstliche Intelligenz immer mehr in HR-Prozesse integriert wird.
Auch angesichts strengerer Datenschutzbestimmungen werden Unternehmen vermehrt auf digitale Lösungen setzen, die die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicherstellen. Ich denke, dass diese Entwicklungen unerlässlich sind, um in der heutigen Arbeitswelt wettbewerbsfähig zu bleiben und die besten Talente für sich zu gewinnen.
Zur Person
Ivana Baumann ist als Head of HR & Recruiting bei HRworks bestens mit den Vorzügen digitaler HR-Lösungen vertraut. Dabei interessieren die studierte Juristin und langjährige Personalverantwortliche besonders Themen zur strategischen Ausrichtung und Entwicklung von Personalarbeit.